GUSTAV JAHN (1879 - 1919) Akadem. Maler, Grafiker und Alpinist

 

Bericht über die Suche und Bergung Jahns aus dem Ödsteinkar

August 1919

In der zweiten Augustwoche 1919 traf sich Gustav Jahn mit Michael Kofler in Gstatterboden zu gemeinsamen Fahrten.

Am 16. August hatten sie miteinander Pfannis Weg durch die Hochtor-Nordwand in unglaublich kurzer Zeit begangen. Am Abend äußerte Gustl wiederholt seine Freude darüber, daß er sich so besonders wohl fühle und trotz seiner 40 Jahre so außerordentlich "gut in Form" sei. Darum wurde für den kommenden Tag etwas ganz besonderes, der Aufstieg über die Ödstein-Norwestkante vereinbart. Als am Abend des 17. August die zwei nicht zurückkamen, wurde man im Hotel besorgt und rief, was gerade erreichbar war, zu einer Rettungsunternehmung.

Die Rettungsmannschaft brauchte nicht lange zu suchen.

Im Ödsteinkar fand man am Fuße der Kante Jahn und Kofler als Leichen.

 

Als Originalbericht existiert der kurze Einsatzbericht der Alpinen Rettungsstelle Admont

hier die Abschrift:

Tätigkeitsbericht der Alpinen Rettungsstelle Admont für das Jahr 1 9 1 9:

Am 17. August 1919 stiegen der akad. Maler und Erstbegeher der Hochtor - Nordwand (Jahn-Zimmerroute) Gustav JAHN und sein ebenfalls in Bergsteigerkreisen bekannte Michael KOFLER, beide aus Wien, in die Ödsteinkante ein

. Dabei kam es aus nicht näher bekannter Ursache beim sogenannten Preußquergang zum Absturz der beiden Kletterer. Die Bergung der Leichen wurde nach Meldelegung und erfolgter Nachsuche am 23. August 1919 vorgenommen. Die Beerdigung erfolgte am Johnsbacher Friedhof.

Alfred HORESCHOWSKY, Franz RIEDL, Hans RICHTER
und weitere BRD – Männer


An der Suche nahmen folgende Personen teil:

Hans Richter, Stefansky und Goldschmidt.

An der Bergung am 23. August 1919 - aus dem Ödsteinkar nahmen folgende Personen teil:

Karl Hans Richter, Stefansky, Goldschmidt, Ernst Aschenbrenner, Franz Aschenbrenner (1891-1971), Zierhut, Baumgartner, Linhart, Alfred Horeschofsky (siehe Bericht weiter unten), Hengl, Gindl und drei weitere Burschen.


 

Brief vom Bergungsteilnehmer Alfred Horeschowsky an die Familie Jahn,

in dem er sich an den Hergang der Bergung im Spätsommer 1919 erinnert.

 

Alfred Horeschowsky, sehr bekannter Felskletterer Wiens (u.a. Durchsteigung der Palavicinirinne am Großglockner).

Der Wiener Alpinist Alfred Horeschowsky durchsteigt allein in acht Stunden die damals berühmt-berüchtigte Pallavicinirinne am Großglockner (gleichzeitig erst die 3. Begehung). "Horesch", ein stämmiger Allrounder der wilden zwanziger Jahre, war überaus erfolgreich in Fels und Eis. erste Alleinbegehung der Kleinen Zinne-Nordwand, Erstbesteigung des Illampu (6348 m) in den bolivianischen Anden, Durchsteigung der Matterhorn-Nordwand bis zur Schulter des Hörnligrates 8 Jahre vor der vollständigen Durchsteigung.


 

Der Alpinschriftsteller Kurt Maix schreibt in seinem Buch „Berggeschichten“ über die Bergung im Ödsteinkar:

"Sie fanden die beiden. Es war nicht leicht, dieses Finden.
Denn an mancher Stelle hatte die Kante wie ein steinernes Schwert gewirkt.

Man mußte östlich des Sockels suchen und auch westlich, um alles zu finden, was an den beiden sterblich war.

Abstieg mit den Toten. ein trauriger Gang.
Man empfindet Ergriffenheit trotz des langen Krieges, der erst vor wenigen Monaten geendet hat."

 

Kurt Maix  

Zum Durchblättern des Buches bitte obiges Bild (oder diese Zeile) anklicken ...

Die Felsenkatz' mit dem Kappl

Mitte August 1919.

Die Wiener Bergsteigerzunft ist voll Sorge. Gustav Jahn ist abgängig. Er und sein Seilgefährte Michel Kofler sind nicht nach Wien zurückgekommen. Gustav Jahn, der immer Fröhliche, der immer Überlegene, das Herz der österreichischen Bergführerkompanie in Gröden während des ersten Weltkriegs, der Mann der hundert schweren und schwersten Anstiege, die er zum erstenmal erklettert hat und die seinen Namen tragen. Die Ödsteinkante wollte er machen. Gewiß, die ist schwer. Aber Gustav Jahn ist noch immer Gustav Jahn, obwohl er schon einundvierzig Jahre alt ist. Der Alpine Rettungsausschuß Wien rückt aus. Unter Leitung Karl Hans Richters. Kreischend bremst der Personenzug in Gstatterboden. Schon auf dem Bahnsteig wird eine kurze Beratung abgehalten. Wie, wo? Den Weg - der keiner ist - ins Ödsteinkar kennen nur wenige. Auf dem Geländer des kleinen Bahnsteigs Gstatterboden sitzt ein junger Mann, dessen angriffslustige Nase unter dem Schirm einer Mütze keck vorspringt. Keine schicke Mütze - es ist ein Kappl, wie man es halt in Wien trägt.

Der junge Mann gleitet von dem Geländer, tritt zu Karl Hans Richter, sagt kurz: »Ich möcht mitgehn. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.« Karl Hans Richter schaut den jungen Mann erstaunt an. Vielleicht ein bissel von oben herab.

»Was, Sie wollen uns helfen? Kennen Sie denn das Gesäuse?« »A bissel schon. Alle Wänd halt, auch die Ödsteinkanten. « »Ja, wie heißen Sie denn?« »Alfred Horeschowsky.«

Die Gespräche verstummen. Alle schauen auf den jungen Mann. Richter sagt: »Also Sie sind der Horeschowsky.« Jeder kennt den Namen, doch nicht alle kennen den jungen Mann persönlich. Den verwegensten Alleingänger der Gesäusewände. Den Mann, der sogar die direkte Nordwand des Reichensteins, die Pfannlroute, allein begangen hat. Von dessen Ausflug in die Dolomiten vor fünf Jahren man sich Dinge und Taten erzählt, die wie Legenden und Sagen klingen. Alle, auch der erfahrene Karl Hans Richter, sind froh, daß sich »Horesch« an der Suchexpedition beteiligen will. Alfred Horeschowsky findet auch den kürzesten, schnellsten Weg zwischen Latschen, Schutt und Felsen ins Ödsteinkar. Der junge Wiener bewegt sich geschmeidig wie eine Katze, mit der Trittsicherheit eines Wildschützen. Obwohl er fast schmächtig ist, der junge Mann mit dem Kappl, besitzt er ungeheure Körperkraft. Man merkt es hier nur an dem unglaublichen Tempo, mit dem er sich fortbewegt. Lange vor den anderen erreicht er die Ödsteinscharte. Da liegt es - das Ödsteinkar, aus dem, abenteuerlich steil und wild, die berüchtigte Ödsteinkante emporwächst. Horesch prüft genau den hohen, damals schwersten Gang des Gesäuses, den er auch schon einmal gemacht hat. Wenn Jahn gestürzt ist. . . Wo? Droben am Dibonaüberhang? Kaum. Das war kein Gelände für Gustav Jahn. Da war zuviel Schinderei dabei. Aber der Preußquergang, den wird er gegangen sein, das war etwas für den Jahn, der viel eher Seiltänzer war als Gewichtstemmer. Wenn etwas passiert ist, dann am Preußquergang. Horesch schaut hinauf. Vierhundert Meter senkrecht über dem Sockel 120 überlistete Paul Preuß den Berg, vermied Anstrengung und Schwierigkeit des Dibonaüberhangs und setzte dafür Gefahr und Gleichgewichtsgefühl zum Pfand. Aber wenn dort oben einer stürzt und hat das Seil nicht in einige Haken eingehängt - der fliegt lange. Er und sein Gefährte. Vierhundert Meter tief ohne Aufschlag ... Ist dort nicht ein Fleck im grauen Fels? Im grauen Schutt? Horesch wartete.

Da kamen die anderen. Und gemeinsam suchten sie. Gemeinsam fanden sie. Es war nicht leicht, dieses Finden. Denn an mancher Stelle hatte die Kante wie ein steinernes Schwert gewirkt. Man mußte östlich des Sockels suchen und auch westlich. Um alles zu finden, was an den beiden sterblich war. Abstieg mit den Toten. Ein trauriger Gang. Man empfindet Ergriffenheit trotz des langen Krieges, der erst vor wenigen Monaten geendet hat. Des Krieges, in dem man Tausende sterben sah. Soldatentod und Bergsteigertod haben doch wenig gemein. Die Bergungsmannschaft, die aus dem Ödsteinkar kommt, geht wie in Trance, schweigend. Vielleicht sagt einer: »Die haben nichts gelitten.« Oder ein anderer: »Bei so einem hohen freien Flug waren die beiden bestimmt schon bewußtlos, ehe sie zum erstenmal aufschlugen.«

Warum? Weil solcher Unsinn oft verzapft wurde? Nein, die Sekunden und Minuten des freien Todesflugs wurden nicht durch eine Bewußtseinstrübung erleichtert. Alle klar denkenden Männer wissen das. Auch die Männer, die dem Gustl und Michel den letzten Freundschaftsdienst erweisen. Horesch redet überhaupt nichts. Aber vielleicht erzählt er bei der Heimfahrt im Personenzug von seinen Dolomitenerlebnissen, weil doch der Jahn die Dolomiten so geliebt hat. Vielleicht . . .

Auszug aus dem Buch „Berggeschichten“ vom Alpinschriftsteller Kurt Maix“ über die Bergung im Ödsteinkar.

http://www.bergnews.com/service/biografien/maix/Kurt-maix.php

 


 

die Original Bergungsliste der Bergrettungsstelle Admont- vom 17. August 1919 - Eintrag (Nr. 40 und 41)

über die beiden Verunglückten Michael Kofler und Gustav Jahn aus Wien:

 


 

Absturzbericht in den Alpenvereins-Mitteilungen 1919
Seite 108


“Über den tödlichen Absturz von Gustav Jahn und Micheal Kofler am großen Ödstein im Gesäuse
ist folgendes zu berichten:


Die genannten hatten am 17. August 1919 Gstatterboden frühmorgens verlassen mit der Absicht,
den großen Ödstein über die Nordkante zu erklettern. Da Jahn und Kofler weder am Sonntag
abends noch im Laufe des Montag nach Gstatterboden zurückgekehrt waren, machten sich dort
befindliche Kameraden der beiden beunruhigt auf die Suche und fanden die zwei Vermissten im
Ödsteinkar zu Füßen der Nordwand als schauderhaft verstümmelte Leichen. Der Absturz - 500 bis
600 Meter hoch - mußte im Aufstieg erfolgt sein, da im Gipfelbuch keine Eintragung zu finden war.
Über die Ursache des Todessturzes können nur Vermutungen ausgesprochen werden.

Es spricht für die Annahme, das Jahn als Vorausgehender gestürzt sein müsse und dann Kofler mitgerissen
habe, da letzterer noch als Leiche Seilschlingen in der Hand hatte. Jahn dürfte eher einer
plötzlichen Herzschwäche oder noch wahrscheinlicher einem Steinschlag oder Felsbruch zum Opfer
gefallen sein, da an der Fundstelle im Ödsteinkar eine große Menge großer frisch gebrochener
Felstrümmer lag, die nach Aussage Ortskundige früher dort nicht zu sehen waren.

Hanns Barth



 

 

SUCHE und BERGUNG

der beiden Verunglückten

Gustav Jahn und Michael Kofler.

Johnsbach, am 23. August 1919

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

Die Bergung der Verunglückten in Johnsbach


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